Wunderbar gleichgültig
Lohnendes Theater-Provisorium auf dem Hoteldach
Das Kölner "Ferienlager"-Ensemble mit "Stadt . . . ist immerhin ein bisschen was".
VON OLIVER CECH
Eine junge Frau sitzt hoch oben über den Dächern der Stadt und schaut hinab. Diese Stadt "wird eine andere, wenn man darüber steht", wird fremd, kein Ort, an dem man leben kann und will. Warum also gehe ich nicht fort, fragt sich die Frau - "was hält mich hier?" Die Kultur, natürlich. Filme anschauen, ins Theater gehen. Da hat man etwas, womit man sich beschäftigen kann, um sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen. "Stadt . . . ist immerhin ein bisschen was", die jüngste Produktion des Ferienlager-Ensembles, aufgeführt auf dem Dach des Hotels Crowne Plaza, hält seinem Publikum den Spiegel vor. Das kommt ganz unaufdringlich daher, weil die Aufführung wie aus dem Handgelenk geschüttelt wirkt - alles ganz spontan, fragmentarisch, ein luftiges Theaterexperiment im Luftraum über Köln. Um das dramaturgische Zentrum der ratlosen Frau kreisen Essay-Miniaturen, Monologe introvertierter Großstadtneurotiker, gefangen in den Eingeweiden der Metropole - reingerufen von den am Dachrand postierten Ensemblemitgliedern. Diese Konstruktion könnte furchtbar prätentiös sein, doch Julia Lorenz und Sandra Kruse lassen klug die Zügel ihrer Inszenierung schleifen. Als Provisorium, das nur ein einziges Mal zur Aufführung kommt, besitzt diese Produktion eine wunderbare Gleichgültigkeit gegenüber den Regeln und dem Erfolg herkömmlichen Theaters. Daher agiert die Schauspielerin (und aktuelle Puck-Preisträgerin) Evelyn Tzortzakis im luftleeren Raum, ohne Bühnenkonvention, ohne Stück, anfangs auch ohne Figur. Wie es ihr gelingt, das lose Bündel von Gedankenfetzen schließlich doch zu einem Charakter zu verdichten, schon dies ist sehenswert. Eine Aufführung wie ein Einmal-Rasiermesser - billig und scharf, und eigentlich zu schade zum Wegwerfen.
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