KÖLN VERKAUFEN
Das Festival „Ferienlager 05“ zeigt eine Uraufführung von David Gieselmann auf dem Dach eines Luxushotels
Für WDR 5, Scala, Redaktion Winfried Fechner
Von Stefan Keim, Prognosetag 25. Juli
Moderationsvorschlag
Köln ist eine Stadt, die sich gern verkauft. Lange wurde diskutiert, ob das Opernhaus am Offenbachplatz saniert oder an eine Hotelkette verkauft werden soll. Man hat sich für den Erhalt entschieden. Die Sicht auf den Kölner Dom sollen bald Hochhäuser versperren. Deshalb ist das Wahrzeichen der Stadt weiterhin auf der roten Liste der Unesco und sein Status als Weltkulturerbe gefährdet. „Köln verkaufen“ war ein Arbeitstitel des neuen Theaterstückes von David Gieselmann. Nun heißt es „Das Haus in Köln“, aber ums Verkaufen geht esweiter hin. Der Spielort ist außergewöhnlich, das Dach eines Luxushotels direkt am Ring, mit Panoramablick auf die Dächer der Stadt. „Ferienlager 05“ heißt das außergewöhnliche Festival, in dessen Rahmen dieses Stück zu sehen ist. Stefan Keim berichtet.
Beitrag
Der Blick fällt auf Kirchen und den Dom, auf Menschenköpfe 10 Stockwerke tiefer, Verkehrsgewimmel und in Wohnungen, deren Besitzer die Vorhänge nicht zugezogen haben. Ein bisschen Voyeurismus gehört dazu, wenn man sich auf dem Dach des Crowne Plaza Hotels in Sofas kuschelt oder – als Spätkommer – auf Klappsitze hockt. Und die Blicke schweifen lässt über den Dächern von Köln. Und dann gibt es noch Theater, „Ferienlager“ nennt sich das Festival.
O-Ton Gieselmann „Es ist einfach eine ungeheure Portion Idealismus und auch ein Stück Wahn, aber positiver Wahn dabei, ein Festival auf dem Dach eines Hotels durchzuziehen, wo man jeden Abend mit dem Wetteramt telefoniert, ob der Nichtregen auch hält. Und das hat mich irrsinnig fasziniert. Das begeistert mich mehr als hoch dotierte Inszenierungen an irgendwelchen großen Theatern in Wien oder sonst was. Dieser Idealismus macht dieses Festival aus.“ MD Track 13 / 4
Sagt der Dramatiker David Gieselmann, 1972 in Köln geboren, dessen Stücke sonst an der Berliner Schaubühne oder im Londoner Royal Court Theatre gespielt werden. Seine abgründige, wortwitzwütige Krimikomödie „Herr Kolpert“ gibt es schon in 30 verschiedenen Inszenierungen, im In- und Ausland. David Gieselmann schreibt schnelle Stücke, elegant, pointiert, ohne großen Kunstanspruch. Ganz in der britischen Tradition. So eins hat er nun speziell für das Ferienlager auf dem Hoteldach verfasst. „Das Haus in Köln“, fast eine Stunde kurz, voller Tempo, Gags und Hysterie.
O-Ton Gieselmann „Manchmal glaube ich, wenn man so was dann in sechs bis acht Wochen für so einen Ort zusammen zimmert, habe ich das Gefühl, es kommt dabei etwas Wahrhaftigeres heraus als wenn man sich ein Dreivierteljahr dahinter klemmt und ein Drama für vierzehn Figuren schreibt. Ich habe den Eindruck, so eine schnelle Denkweise ist zeitgemäß, und deshalb mag ich die Sache auch.“ MD Track 13 / 3
O-Ton „Sag mal, Harald, bist des Wahnsinns? Was machst du denn in Düsseldorf? Wir sind hier verabredet, hier an dem Haus in Köln. Und weißt du auch, wann wir verabredet sind hier an dem Haus in Köln? – Halb neun, oder? – O Gott, um halb acht, mein Lieber, um halb acht. – Ja, ich bin quasi da. – Nein, du bist eben nicht quasi da. Wenn du quasi da wärst, dann wärst du jetzt in Nippes. Du bist aber nicht in Nippes, du bist in Düsseldorf. Du bist in Düsseldorf, Harald.“ MD Track 15 / 2
Drei junge Leute wollen den Coup ihres Lebens landen und ein Haus verkaufen, das ihnen gar nicht gehört. Eigentlich suchten sie bloß nach einem Club, der ihnen gut gefiel aber plötzlich nicht mehr da ist. Auf abenteuerlichen Wegen gelangten sie an die Besitzurkunde des Hochhauses, auf der als Eigentümer ein Scheich aus Dubai verkleidet ist. An diesem Abend nun wollen sie das Haus verkaufen, an eine mysteriöse Russin, die einen Koffer mit einer Million Euro quer durch Köln schleppt.
O-Ton „Wie um alles in der Welt willst´n das machen. Willst du dich als Ölmogul verkleiden, oder was? – Quatsch, wir können uns doch als Treuhänder ausgeben. Wir sagen einfach, wir verwalten das Objekt für Scheich so und so, wir vertreten den hier in Köln. – (…) Na, das könnte vielleicht tatsächlich funktionieren. (Musik Our House)“ MD Track 17 / 2
Die Situation wird immer absurder, filmschnittartig wechseln Ort und Zeit. David Gieselmann orientiert sich ganz am zeitgenössischen Genrekino und erzählt mit rasanten Rückblenden, Parallelmontagen und Gedankensprüngen. Am Schluss gibt es einen Baller-Showdown und zwischendurch immer wieder alltagsphilosophische Erkenntnisse. Ein Latte Macchiato zum Mitnehmen, sinniert einer der jungen Leute, das sei der Übergang von der privaten in die urbane Sphäre. Fast wirkt der Abend, als hätten Quentin Tarantino und Woody Allen ein Wochenende in einer Ferienhütte verbracht, viel getrunken und ein Drehbuch zusammen improvisiert. Das Stück verlangt von den mit wenigen Requisiten agierenden Schauspielern absolute Präzision. Regisseur Oliver Krietsch-Matzura führt das ausgezeichnete Ensemble von Drama Köln souverän und setzt Zäsuren mit knalligen Musikeinsätzen.
O-Ton russische Musik MD Track 16 / 2
Stücke wie „Das Haus in Köln“ werden nicht zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Sie machen einfach Spaß. Die zweite Produktion des Ferienlagers, „Bonnie & Clyde“ von Nora Mansmann, wird während des Festivals in öffentlichen Proben entwickelt, und hat erst am Ende, bei der sechsten Aufführung Premiere. Festivals sind nicht dazu da, um das, was man in etablierten Häusern sowieso sehen kann, auch noch im Sommer zu zeigen. Das „Ferienlager 05“ erprobt einen lockeren, sympathischen Umgang mit Theater, den Schnellschuss, das bewusst Unfertige – auf hohem handwerklichen Niveau. Und mit Erfolg, im letzten Jahr waren die gut 80 Plätze auf dem Hoteldach immer ausverkauft. Solange es nicht regnete.
Service:
„Das Haus in Köln“ von David Gieselmann
Ort: Dachterasse des Crowne Plaza Hotels am Rudolfplatz, Köln
Weitere Aufführungen: 25. und 27. Juli, 3., 5., 8. und 9. August, jeweils 21 Uhr.
Das Ferienlager hat noch bis 12. August geöffnet.
Karten: 0221 – 2720 007
Internet: www.ferienlager-05.de
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